Klimakrise, soziale Spaltung, Rechtsruck, Wirtschaftskrise. Die Welt ist in Unruhe und die Politik scheint handlungsunfähig. Sie bräuchte Geld zur Gestaltung unserer Zukunft. Warum die Reichen zahlen müssen, wenn wir die Welt retten wollen.
Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit? Chancengleichheit und Tierschutz? Können wir uns alles angeblich nicht leisten. Dabei steigt das Vermögen von Milliardär:innen täglich um 2 Millionen Euro. Insgesamt gibt es in Deutschland alleine an Barvermögen über 9 Billionen Euro. Es stimmt also nicht, dass nicht genug Geld da ist. Es ist nur so ungleich verteilt, wie schon lange nicht mehr in der Menschheitsgeschichte. „Die Vermögenskonzentration unserer Zeit unterscheidet sich kaum von der Machtkonzentration des Adels im Feudalismus“, schreibt Marlene Engelhorn im Vorwort des Buches „Tax The Rich“ von Jörgen Randers und Till Kellerhoff. Sie selbst ist Millionenerbin und fordert seit Jahren „Besteuert uns!“
Ein paar Zahlen zur Ungleichheit
Die Zahlen zeigen es mehr als deutlich: es ist ungerecht. Die 26 reichsten Menschen besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Menschen weltweit. Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung besitzen mehr als 76 Prozent des weltweiten Vermögens. In Deutschland besitzen die reichsten zehn Prozent etwa 30 Prozent. Davon sind zirka 60 Prozent vererbt und nicht selbst erarbeitet. So viel zum Mythos der „Leistungsträger“. Die reichsten Menschen der Welt besitzen mehr als 200 Milliarden US-Dollar. Das sind 20.000 mal eine Millionen! Um sich das besser vorstellen zu können, hier folgende Beispielrechnung:
Wer 1.000 Dollar am Tag ausgibt, braucht 1 Millionen Tage bis er insgesamt 1 Milliarde Dollar ausgegeben hat. Das sind (1.000.000 geteilt durch 365) knapp 2.740 Jahre! Hätte unser Milliardär also zu Beginn unserer Zeitrechnung angefangen 1.000 Dollar pro Tag auszugeben, hätte er noch immer Geld für 715 Jahre! Wenn wir nun bedenken, dass ein Milliardär pro Tag 2 Millionen Euro dazu gewinnt, dann wird klar: So viel kann kein Mensch ausgeben. So viel braucht auch niemand!
Warum Reiche unsere Welt vernichten
Aber nicht nur, dass Überreiche unverhältnismäßig viel besitzen (während andere Menschen hungern). Sie können sich zudem einen Lebenswandel leisten, der den Planeten und damit unser aller Lebensgrundlage zerstört. Noch ein paar Zahlen: Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung sind aktuell für knapp 50 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich! Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung erzeugt hingegen nur 12 Prozent der Emissionen! Jeff Bezos hat für seinen elfminütigen Tripp in den Weltraum zirka 300 Tonnen CO2 erzeugt. Um so viel Treibhausgase freizusetzen, braucht ein Mensch der zur ärmsten Milliarde gehört, sein ganzes Leben.
Steigende Klima- und Umweltkosten für die Allgemeinheit + soziale Härten für immer mehr + überbordender Luxus für wenige Überreiche – so sieht das Rezept für soziale Unruhen und Rebellion aus, meinen Randers und Kellerhoff in ihrem Buch „Tax The Rich“. Diese einfache Gleichung lässt sich überall auf der Welt sehen: Rechts-autoritäre Parteien und Strömungen bekommen immer mehr Zulauf, weil sie vermeintlich einfache Lösungen auf komplexe Probleme versprechen. Die Gesellschaften spalten sich zunehmend. Die Politik schaut mehr oder minder tatenlos zu. Doch es zeigt klar, warum die Reichen zahlen müssen.
Warum der Markt die Klimakrise nicht lösen kann
Dabei steht auch fest: um den größten Krisen der Menschheitsgeschichte zu begegnen – nämlich den ökologischen Krisen wie Klimakrise und Artensterben – brauchen wir Geld. Viel Geld. Der „Markt“ alleine schafft es nicht, dafür Lösungen zu finden. Der Staat muss lenken. Denn Unternehmen werden niemals flächendeckend in ökologische, aber teure Innovationen investieren, wenn es ihnen keinen Wettbewerbsvorteile bringt. Die Konsument:innen werden nicht freiwillig die hochpreisigeren Öko-Produkte kaufen. Das hat sich im Laufe der letzten 50 Jahre mehr deutlich gezeigt.
Ein Beispiel gefällig? Hier ist es! Es stammt aus dem Buch von Randers und Kellerhoff: Würden die Preise von Produkten des täglichen Bedarfs die tatsächlichen Kosten wiedergeben, müssten wir viel mehr bezahlen! Die Emissionen von Treibhausgasen, die Verschmutzung von Grundwasser durch Düngemittel, der Einsatz von Pestiziden, die Erosion des Bodens durch intensive Landwirtschaft – das alles erzeugt so viel Schaden, dass eine 300-Gramm-Packung Maasdamer Käse eigentlich 4,84 statt 2,49 Euro kosten müsste. Würstchen müssten 6,01 statt 3,19 Euro kosten. Und ein Päckchen Mozarella 1,55 Euro statt 89 Cent.
Wir brauchen das Geld für wichtige Dinge
Der Staat muss also schleunigst umsteuern. Denn uns läuft die Zeit davon. Am 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommen sind wir bereits vorbei. Zu hoffen bleibt, dass wir möglichst weit unter 2 Grad Erderhitzung bleiben. Doch dafür brauchen wir Geld. Und zwar nicht nur „wir“ hier in Deutschland. Sondern „wir“ Menschen überall auf der Welt. Laut dem Bundesverband der Deutschen Industrie brauchen allein wir hier in Deutschland bis 2030 Investitionen in Höhe von 860 Milliarden Euro, um unser Land bis 2045 klimaneutral zu machen.
Der Mythos, dass durch Steuergeschenke an die Reichen der Wohlstand von oben nach unten tropfen würde (der so genannte „Trickle Down Effekt“) hat sich nie bewahrheitet. Im Rückblick sehen wir, dass eine aggressive progressive Besteuerung zu gleicheren Gesellschaften und damit größerem sozialem Frieden und einem positiv handlungsfähigen Staat führt. Aber selbst wenn wir es „nur“ so machen würden, wie unsere Nachbarn, würde das bereits viel bringen: „Würde die Bundesrepublik Vermögen ebenso hoch besteuern wie Frankreich, das Vereinigte Königreich oder die Vereinigten Staaten das tun, würde sie jedes Jahr 120 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen“, schreiben die beiden Autoren im bereits genannten Buch. Worauf, also bitte schön, warten unsere Politiker:innen?!?
Tax The Rich! Warum die Reichen zahlen müssen
Kommt der Ruf nach höheren Steuern für Überreiche, schallt die Antwort sofort: Das verhindert Wirtschaftswachstum! Und das geht natürlich nicht. Doch die Sache hat einen gewaltigen Haken, finden Jörgen Randers und Till Kellerhoff: Diese These stimmt nur, wenn die Reichen ihren Reichtum in bessere Maschinen, neue Gebäude, Forschung und andere Dinge stecken, die die Produktivität erhöhen. Das tun sie aber gar nicht. „Mehr und mehr Geld fließt in Luxusgüter oder wird in die Finanzmärkte investiert – in der Realwirtschaft kommt zunehmend weniger Kapital an“, schreiben die beiden.
Eine faire Besteuerung halten die beiden Autoren deshalb für das wichtigste und sinnvollste Mittel, um die enorme Umstellung unserer Wirtschaft und Lebensweise zu stemmen. Spanien sei in Europa der Vorreiter gewesen und habe eine befristete, progressive Besteuerung von Vermögen eingeführt. Würden die reichsten 0,5 % der EU-Bürger:innen auf ihr Vermögen eine Steuer von 1,7–3,9 % zahlen, dann würde die EU jährlich etwa 213,3 Milliarden Euro mehr einnehmen. Dieses Geld stünde allen EU-Ländern zur Verfügung, um Investitionen in die Energiewende, Bildung, das Gesundheitswesen, nachhaltige Mobilität und ähnliches zu tätigen.
Der World Inequality Report meint, dass eine weltweite Vermögenssteuer von 1,5 % auf alle individuellen Vermögen über 100 Millionen Dollar jährlich etwa 300 Milliarden Dollar einbringen würde. Das wären etwa 2 % des globalen Bruttoinlandsprodukts und in etwa die Hälfte dessen, was wir für die Nachhaltigkeitstransformation rund um den Planeten bräuchten. Betreffen würde das gerade mal 0,001 % der Weltbevölkerung (also rund 65.000 Menschen). Das allein zeigt, warum die Reichen zahlen müssen und wie pervers die Ungleichverteilung von Geld mittlerweile auf der Welt ist. Und wie machbar in Wirklichkeit die öko-soziale Transformation!
Warum höhere Steuern eine super Idee sind
Niemand zahlt gerne Steuern. Und bei dem Wort „Steuererhöhung“ ziehen die meisten schon den Kopf ein. Doch hier ist es anders. Es soll nicht etwa um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gehen – die trifft vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten. Nein, es geht allein um eine Steuererhöhung für die Superreichen oder auch Überreichen. Und für die ist Deutschland bislang ein Niedrigsteuerland, wie Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit schreibt. Um zu verhindern, dass Superreiche mit ihrem Vermögen in andere Länder mit günstigeren Steuersätzen abwanden, braucht es internationale Absprachen, etwa zu Mindeststeuersätzen (siehe unten).
Aber kurz noch mal die gesammelten Pro-Argumente für Steuererhöhungen für Superreiche von Randers und Kellerhoff:
- Steuererhöhung für Superreiche sorgen für mehr Chancengleichheit. Momentan haben diejenigen, die viel Geld haben, einfach auch viel bessere Startchancen in Bildung und Beruf, als Menschen ohne Geld. Eine gerechtere Verteilung würde diese Chancenungleichheit verringern.
- Steuererhöhung für Superreichen schmälert den Luxuskonsum. Man sollte es nicht überschätzen, aber es könnte dazu führen, dass Superreiche nicht mehr so überproportional stark die Umwelt belasten. Andere würden diesem Lebensstil vielleicht weniger nacheifern. Würde eine solche Steuererhöhung zum Beispiel dazu führen, dass die Nachfrage nach Zweitwohnungen zurückgehen, würde das etwa den Wohnungsmarkt entspannen. Davon hätten auch Menschen mit wenig Geld etwas.
- Steuererhöhung für Superreichen stärkt unsere Demokratie. Denn Überreiche oder Superreiche haben erheblichen Lobby-Einfluss auf die Politik. Offensichtlichstes Beispiel sind derzeit wohl Donald Trump und Elon Musk. Aber auch hierzulande würde der Einfluss der Superreichen auf die Politik abnehmen, wenn sie zum Beispiel nicht mehr Parteien mit Millionen Euro unterstützen oder teure Lobby-Arbeit finanzieren könnten. Das würde unserer Demokratie gut tun. Denn dieser überproportionale Einfluss verhindert derzeit zum Beispiel faire Steuern.
Weitere Steuerideen
Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuern sind nur einige von mehreren Ideen, wie kluge Steuern oder auch Abgaben die anstehenden Probleme lösen könnten. Es geht aber nicht nur darum, rarum die Reichen zahlen müssen. Die Einigung auf einen globalen Mindeststeuersatz ist eine weitere. 2021 haben sich 138 auf ein Minimum von 15 % geeinigt. Das bedeutet: Wenn ein Niedrigsteuerland nur 5 % auf Unternehmensgewinne erhebt, kann das Land, in dem die Wertschöpfung eigentlich stattfand, die restlichen 10 % erheben. Damit wird zum Beispiel ausgeschlossen, dass internationale Konzerne einfach eine Tochtergesellschaft in einer Steueroase eröffnen. Auf diese Weise enthalten die Konzerne den Staaten schätzungsweise rund 400 Milliarden Euro an Steuern pro Jahr vor. Während die Klein- und Mittelständischen Unternehmen brav ihre Steuern zahlen …
Eine andere Idee, die bereits in Ländern wie etwa der Schweiz erprobt werden, ist die Abgabe auf CO2. Sie muss – so Randers und Kellerhoff – mit einer Dividende einhergehen, sonst führt die CO2-Abgabe zu sozialen Verwerfungen. Bei der Kopplung an die Dividende zahlen alle gemäß ihrem CO2-Verbrauch in einen Topf ein. Am Ende des Jahres wird der Gesamtbetrag jedoch zu gleichen Teilen an alle Einwohner:innen ausgezahlt. Reiche, die wie oben beschrieben einen hohen CO2-Ausstoß haben, zahlen also viel mehr ein, als sie herausbekommen. Arme Menschen, die einen geringen CO2-Fußabdruck haben, bekommen viel mehr raus, als sie einzahlen. Das wäre also nicht nur gut für die Umwelt, sondern würde auch noch für einen Ausgleich und damit soziale Gerechtigkeit sorgen.
Fazit: Warum Reiche zahlen müssen, wenn wir die Welt retten wollen
Warum die Reichen zahlen müssen? Die Lösungen liegen klar auf der Hand. Sie sind überzeugend. Und sie sind notwendig. Die Politik muss nun handeln. Was wir tun können, ist: weiterhin laut unsere Meinung sagen und darauf bestehen, dass alle ihre Verantwortung sehen und übernehmen müssen. Am Ende bewohnen wir alle zusammen diesen Planeten. Und auch den Superreichen geht es besser, wenn sie in einer intakten Natur, einer florierenden Wirtschaft und einem funktionierenden Rechtsstaat mit maximalem sozialem Frieden leben. Dafür braucht es soziales Gerechtigkeit.
Die positive Nachricht: Selbst Millionär:innen und Milliardär:innen sehen das ein. Sie schließen sich in Organisationen wie „Tax me now“, „Patriotic Millionaires“ oder „Millionaires for Humanity“ schließen sich der Forderung nach Reichensteuern an. Wir bleiben dran, halten uns auf dem Laufenden und werden nicht müde, unsere Forderung ebenfalls mit einzuwerfen :-).
Bibliografische Angaben
Tax The Rich. Warum die Reichen zahlen müssen, wenn wir die Welt retten wollen
Jörgen Randers und Till Kellerhoff
oekom Verlag, ISBN 978-3-987260674, 14 €
Bestellen: https://www.oekom.de/buch/tax-the-rich-9783987260674
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